Code-switching und andere formen multilingualen sprechens in gesprachen der fernheimer mennoniten in paraguay code-switching and other types of multilingual speech inconverstions of the mennonites in Paraguay
Analysis of the phenomenon of polylingualism and different types of multilingualism in the colloquial speech of the Mennonite group who live in the Fernheim colony in Paraguay (South America). Analysis of the phenomena of code switching, borrowing.
Рубрика | Иностранные языки и языкознание |
Вид | статья |
Язык | английский |
Дата добавления | 17.11.2021 |
Размер файла | 31,9 K |
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Code-switching und andere formen multilingualen sprechens in gesprachen der fernheimer mennoniten in paraguay code-switching and other types of multilingual speech inconverstions of the mennonites in paraguay
Tirza Muhlan-Meyer (PhD) -- Dr., researcher, Department of German Linguistics, Bavarian Julian Maximilians University of Whrzburg (Germany), Universitat Whrzburg, Institut fur Deutsche Philologie, Lehrstuhl fur deutsche Sprachwissenschaft, Am Hubland, D-97074, WUrzburg, BRD
Переключение кодов и другие формы многоязычия в речи меннонитов из Фернгейма (Парагвай)
Мюлан-Майер Тирца -- доктор, научный сотрудник кафедры немецкого языкознания, Баварский университет им. Юлия Максимилиана г. Вюрцбурга (ФРГ), Universitat Whrzburg, Institut far Deutsche Philologie, Lehrstuhl far deutsсhe Spraсhwissenschaft, Am Hubland, D-97074, Whrzburg, BRD.
polylingualism mennonite switching
Аннотация
Статья посвящена феномену полилингвизма и различным типам многоязычия в разговорной речи группы меннонитов, которые живут в колонии Фернгейм в Парагвае (Южная Америка). Эти меннониты находятся в контакте с различными языками и их разновидностями: они говорят на стандартном немецком языке в общественных местах, например в церкви или в школе, а нижненемецкий язык меннонитов используется ими в частных ситуациях, например с друзьями или дома, и в их контактах с испанцами, с парагвайским населением. Основное внимание в исследовании уделяется анализу распространения языков и их разновидностей на основе концепции диглоссии Джошуа Фишмана (1967 г.). На второй части статьи анализируются явления кодового переключения, заимствования и перевода в результате того, что несколько языков и их разновидностей находятся в контакте. Эти явления описываются на основе большого корпуса разговорного языка, который автор статьи использовал во время полевого исследования в Парагвае.
Ключевые слова: многоязычие, кодовое переключение, перевод, заимствование, меннониты, конверсационный анализ, диглоссия, нижненемецкий язык меннонитов, разговорная речь
Abstract
This paper is about the multilingualism and different types of multilingual speech in conversations of a group of Mennonites who live in the colony Fernheim in Paraguay (South America). These Mennonites are in contact with different languages and its varieties: They speak standard German in public domains, for example at church or at school, Mennonite Low German in private situations, for example with friends or at home, and Spanish with the Paraguayan population. The focus of this study lies on analyzing the distribution of the languages and varieties based on Joshua Fishmans (1967) concept of Diglossia. In a second step, the author examine code-switching, borrowings and transfers as a result of several languages and varieties being in contact. The phenomena are described on the base of a big corpus of spoken language which has been took during a field research stay in Paraguay.
Key words: multilingualism, code-switching, transfer, borrowing, Mennonites, conversational analysis, Diglossia, Mennonite Low German, spoken language.
- Welche Funktionen haben die unterschiedlichen Formen mehrsprachigen Sprechens bei den Fernheimer Mennoniten?
Wesentliche Einfuhrungswerke der Sprachkontaktforschung als auch grundlegende Aufsatze im Bereich der Mehrsprachigkeitsforschung dienen als theoretische Grundlage fur die Ausarbeitung [Riehl 2014a, Riehl 2014b, Myers-Scotton 2002, Clyne 2003, Blom/Gumperz 1972]. Die Analysen beruhen auf ein Korpus von Aufnahmen authentischer und naturlicher Gesprache, die wahrend mehrerer Feldforschungsaufenthalte in der Kolonie Fernheim in Paraguay aufgezeichnet und nach GAT [Selting et al. 2009] minimal transkribiert wurden [Muhlan-Meyer 2014, S. 24-31; Muhlan 2010, S. 6-10].
Im Folgenden wird zunachst der Sprachgebrauch der Mennoniten beschrieben, indem auf die Sprachen, mit denen die Mennoniten im Kontakt stehen, eingegangen wird und ihre Verteilung auf verschiedene Bereiche untersucht wird. AnschlieBend werden unterschiedliche Formen mehrsprachigen Sprechens analysiert, z.B. Code-Switching und Entlehnungen, und ihre Funktionen innerhalb der mehrsprachigen Gruppe beschrieben.
Der Sprachgebrauch unter den Mennoniten
Eine Folge von mehrsprachigen Gesellschaften, wie die Fernheimer Mennoniten es sind, kann die Verteilung der Sprachen auf unterschiedliche Domanen sein [Riehl 2014a,S. 66]. In der Sprachkontaktforschung wird im Zusammenhang der Terminus Diglossie diskutiert. Zentral in der (sozio)linguistischen Diskussion ist dabei Fergusons Diglossie-Konzept [Fergusons 1959], das von der Verwendung von zwei funktional unterschiedlichen Sprachvarietaten spricht. Die Formen derselben Sprache bezeichnet Ferguson als High-Variety (H-Varietat) und Low- Variety (L-Varietat). Wahrend die H-Varietat in formellen Situationen gebraucht werde, z. B. in der Schule, am Arbeitsplatz oder in der Kirche, sei die L-Varietat fur die private Sphare reserviert, z. B. fur die Kommunikation zu Hause oder unter Freunden.
Fishman erweiterte das Konzept, in dem auch die funktionale Differenzierung von nicht miteinander verwandten Sprachen als Diglossie bezeichnet wird [Fishman 1967]. Er beschreibt Diglossie als ein in Bilingualitat verankertes „gesellschaftliches Arrangement“ [Riehl 2014a, S. 66], in dem Sprache(n) und Varietat(en) in verschiedenen Kontexten erworben werden: Die L-Varietat als Erstsprache zu Hause, die der informellen Kommunikation in der Familie oder unter Freunden gilt; die H-Varietat in spateren Sprachsozialisationen, meist in Institutionen, fur den Sprachgebrauch in offiziellen Situationen. Die Mitglieder von Sprachgemeinschaften empfinden die richtige Anwendung der Sprache(n) und Varietat(en) in den jeweiligen Domanen und Kontexten als sehr wichtig, denn der Gebrauch in „falschen“ Domanen verletzte die Regeln der kommunikativen Kompetenz.
Wie lasst sich das Konzept der Diglossie als funktionale Differenzierung zwischen zwei Sprachen und/oder Varietaten auf die Sprachgemeinschaft der Fernheimer Mennoniten ubertragen? Plautdietsch oder Plattdeutsch als eine niederdeutsche Varietat kann in dem Sinne als L-Varietat gesehen werden, das die Mennoniten als Erstsprache zu Hause lernen und in informeller Konversation in der Familie und unter Freunden sprechen. Ein Informant aus der Kolonie Fernheim sagt: Meine Muttersprache ist eigentlich Plattdeutsch. [...] Ich denk Plattdeutsch [Muhlan-Meyer 2014, S. 89-90]. Plautdietsch erhalt in der mennonitischen Gesellschaft daruber hinaus identitatsstiftende Funktion und wird als „Sprache der Mennoniten“ angesehen [Schirmunski 1992, S. 44]. Neben der Religion gilt es fur die meisten Mennoniten als Identifizierungsmerkmal ihrer Gemeinschaft und als „Zeichen des Mennonitenseins [...] Die Sprache dient der kulturellen Abgrenzung nach auBen und dem Zusammengehorigkeitsgefuhl“ [Harder 1980, S. 224]. Eine junge Frau aus der Kolonie Fernheim beschreibt das Plautdietsche als einen Teil unserer Kultur [Muhlan-Meyer 2014, S. 90]. In Untersuchungen zum Sprachkontakt russlanddeutscher Mennoniten in Brasilien und Paraguay stellt sich heraus, dass es in Fernheim keine Teilgruppe gab, „bei der in der mundlichen Kommunikation im Familien- und Freundeskreis das Hochdeutsche haufiger verwandt wird als das Plattdeutsch“ [Kaufmann 2004, S. 280] 2.
Als H-Varietat kann in der Kolonie Fernheim das Standarddeutsche aufgefasst werden, das mundlich in einer standardnahen Umgangssprache angewendet wird (Mennonitendeutsch) [Muhlan-Meyer 2014].3 Das Standarddeutsche gebrauchen die Mennoniten in formellen Situationen: dazu gehoren vor allem der kirchliche und schulische Bereich, sowie die Kommunikation im kolonieeigenen Radiosender „ZP-30“ und auf offentlichen kolonialen Veranstaltungen. Durch Zeitschriften und Bucher aus Deutschland, die in der Buchhandlung verkauft oder in der Bibliothek verliehen werden, besteht ein zunehmender Sprachkontakt mit der deutschen Standardsprache sowie durch das Internet. Die meisten Koloniebewohnerinnen und -bewohner empfangen die ,Deutsche Welle`, ein TV- und Radiounternehmen, das von Deutschland aus in die ganze Welt gesendet wird [Muhlan-Meyer 2014, S. 89]. Viele Mennoniten lernen Standarddeutsch erst in der Schule, die in der Vermittlung und Forderung die wichtigste Rolle einnimmt. Man begrundet die Praferenz und hohe Kompetenz des Standarddeutschen [Kaufmann 2004, S. 278], die vor der Mehrheitssprache des Heimatlandes (Spanisch) steht, mit der starken Forderung durch die Schule. Die isolierte Lage der Kolonie im Chaco tragt zudem dazu bei, dass das Spanische sehr langsam bis dorthin vordringen konnte und Standarddeutsch deshalb rege gebraucht und gut beherrscht wird.
Wenn man nun die spanische Sprache als dritte Sprache neben Standarddeutsch und Plautdietsch hinzuzieht, stellt sich die Frage, ob es sich bei der Situation der mennonitischen Gesellschaft in der Kolonie Fernheim nicht eher um eine Triglossie handelt [Riehl 2014a, S. 67]. Spanisch ist in Paraguay neben Guararn die Landessprache und dient den Mennoniten hauptsachlich als Kontaktsprache zu der paraguayischen Bevolkerung. Guararn muss zwar von den Mennoniten verpflichtend in der Schule gelernt werden, spielt aber ansonsten keine groBere Rolle im Alltag. Zusatzlich scheint Spanisch sich besonders im wirtschaftlichen Bereich als Verwaltungssprache zu etablieren und ebenso fur die hohere Bildung, also beispielsweise fur ein Studium in Asuncion, ist es Voraussetzung. Aber in den Heimen wird nicht Spanisch gesprochen, wie ein Informant sagt, ebenso wenig sprechen die Mennoniten unter sich Spanisch [Muhlan-Meyer 2014, S. 91].
Formen mehrsprachigen Sprechens
Doch obwohl der Sprachgebrauch bei den Fernheimer Mennoniten mehr oder weniger domanenspezifisch geregelt ist, ist es nicht auszuschlieBen, dass die Sprachen und Varietaten in gegenseitige Beruhrung kommen, sich beeinflussen und vermischen. „Untersuchungen [...] zeigen, dass die Sprachen untereinander vernetzt sind und wenn eine Sprache aktiv ist, die andere nicht ausgeschaltet werden kann“ [Riehl 2014a, S. 100]. Das fuhrt zu unterschiedlichen Formen mehrsprachigen Sprechens, wie z.B. Code-Switching, Transferenzen oder Entlehnungen.
Bei Code-Switching als ein weitverbreitetes Phanomen unter mehrsprachigen Sprecherinnen und Sprechern handelt es sich um eine Sprachpraxis, bei der innerhalb eines Gespraches, einer Sequenz oder eines Satzes die Sprache oder die Varietat gewechselt wird [Riehl 2016, S. 25]. Die Sprachen oder Varietaten verandern sich nicht, sondern treten innerhalb eines Gesprachs oder einer sprachlichen AuBerung gemischt auf. Solch ein Sprach- oder Varietatenwechsel kann situativ bedingt sein, wenn sich im Gesprach die Beteiligungskonstellation andert, oder kommunikativ- strategische Grunde haben, z. B. bei einem Modalitatswechsel [Muhlan 2010, S. 77]. Beispiel 1:
also (2.0)| wie war das doch nur (-) am chacokrieg (-)| wo die (.) mich gefragt haben| es nich seine mina pied?| jo (.) es nich seine|
[,Hast du (nicht) mein Pferd gesehen?` ,Ja, ich hab es (nicht) gesehen.`]
Im Beispiel wechselt der Sprecher bei seiner Erzahlung uber den Chacokrieg vom Standarddeutschen ins Plautdietsche.
In der Forschung wird kontrovers diskutiert, ob es sich auch um Code-Switching handelt, wenn nur ein Wort aus einer anderen Sprache ubernommen wird [Riehl 2016, S. 27], oder ob es sich bei einem Code-Switching immer um ganze Phrasen oder (Teil)satze handeln muss. Ebenso stellt man sich die Frage, ob das entlehnte Wort bereits im Lexikon der Basissprache4 etabliert bzw. integriert sein muss oder ob nur nicht-etablierte bzw. spontane Entlehnungen als CodeSwitching gelten. Ein Beweis dafur aus dem mennonitischen Korpus [Muhlan 2010, S. 74]:
Beispiel 2: was was sollen wir verkaufen um die carga zu reduzieren|
Die ganze AuBerung ist auf Deutsch, nur das Wort carga (span. Belastung) wird auf Spanisch gesprochen. Es musste nun gepruft werden, ob es sich bei carga um einen bereits fest integrierten Bestandteil des mennonitendeutschen Lexikons handelt oder ob das spanische Wort ad hoc in der Situation geauBert wurde. Wenn es eine spontane AuBerung ist, zahle solch eine lexikalische Entlehnung zu CodeSwitching [Myers-Scotton 2002, p. 153]. Fur Riehl allerdings ware das Phanomen kein Code-Switching, sondern eine Ad- hoc-Entlehnung oder Ad-hoc-Ubertragung [Riehl 2001], fur Poplack ein nonce borrowing [Poplack 2004].
Entlehnungen
Haufig wird die phonetisch-phonologische Einpassung als entscheidendes Merkmal herangezogen, um zwischen Code-Switching bzw. Ad-hoc-Entlehnungen und Entlehnungen zu unterscheiden: Werden die Worter in der Nehmersprache (die Sprache, aus der das Wort entlehnt wird) artikuliert, handele es sich um Code-Switching, werden sie in der Basissprache ausgesprochen, seien es Entlehnungen bzw. „Gastworter» (guest words) [Grosjean 2008]. Diese Unterscheidung ist oft sehr unklar und wird zurecht von Grosjean (2008) diskutiert. Das Beispiel carga (Beispiel 2) zeigt, dass es kaum eine phonetische Unterscheidung zwischen Nehmer- und Basissprache gibt. Als weiterer Unterscheidungsfaktor gilt deshalb haufig die Gebrauchsfrequenz [Riehl 2014b, S. 39], oder, ob das betreffende Wort bereits morphologisch in das System der Basissprache integriert ist [Poplack/Meechan 1998]. Die Sprecherinnen und Sprecher behandeln und adaptieren dabei das entlehnte Wort beispielsweise hinsichtlich Deklination und Flexion wie das sprachliche Material der Basissprache und ubertragen auch die Bedeutung eins zu eins. Das folgende Beispiel zeigt, dass das spanische Wort grabar (dt. aufnehmen, abspeichern), das haufig im Zusammenhang mit meinem Aufnahmegerat in der Kolonie verwendet wurde, sich als gravieren schon vollkommen in das mennonitendeutsche Lexikon integriert hat.
Beispiel 3:
wenn das nachher aufgraviert wird| das ist mir gar nicht so lieb| [Muhlan-Meyer 2014, S. 150].
Das Verb gravieren wurde phonetisch und morphologisch durch das Prafix auf und die deutsche Flexion in das System des Standarddeutschen integriert.
In mehrsprachigen Gesellschaften etablieren sich Entlehnungen insbesondere dann, wenn entsprechende Termini in der anderen Sprache fehlen. Manchmal kann die Sprecherin / der Sprecher schwierige Sachverhalte nicht deutlich ausdrucken, weil ihr oder ihm der verfugbare Wortschatz der momentan sprechenden Sprache oder Varietat nicht reicht. Diese lexikalischen Lucken kommen oft bei Fachtermini vor [Muhlan-Meyer 2010, S. 80]:
Beispiel 4:
wud dann warschienlich uk ahm sene fleischt wannet Jugendarbeiterrustzeiten| luzerofrezete oda wot ema dann sou ranne| (.) det alljemeine sitzunge| dot hei sich doa engajiert en met dobie es|
[,wurde er dann wahrscheinlich auch sein, wenn es Jugendarbeiterrustzeiten, Luzerofreizeiten oder was immer dann so ablauft, allgemeine Sitzungen, dass er sich da engagiert und mit dabei ist. `]
Der Sprecher verwendet in seinem plautdietschen Beitrag das Lehnwort Jugendarbeiterrustzeiten aus dem Standarddeutschen, weil es dafur keine entsprechende Ubersetzung ins Plautdietsche gibt. Da das Standarddeutsche schon seit sehr langer Zeit als Kirchensprache gilt, werden bestimmte Begriffe aus dem kirchlich-geistlichen Bereich grundsatzlich aus der deutschen Standardsprache entlehnt.
Da die Fernheimer Mennoniten nun schon seit uber 80 Jahren im spanischsprachigen Paraguay leben, haben sie bereits viele spanische Worter in ihren standarddeutschen und plautdietschen Wortschatz aufgenommen. Die Lexik ist die offenste und variabelste Ebene eines Sprachsystems. Weinreich beschreibt das Vokabular einer Sprache als „ohne Frage, d e r Bereich fur Entlehnung“ [Weinreich 1977, S. 79]. Laut Quiring habe die Ubernahme von spanischen Lehnwortern schon in den ersten Siedlungsjahren eingesetzt [Quiring 1936, S. 187]. Heute ist das Spektrum der spanischen Entlehnungen so groB, dass eine Aufzahlung all dieser kaum moglich ist [Muhlan-Meyer 2014, S. 146]. Sie verteilen sich im Besonderen auf Bereiche, die sich die Mennoniten im Laufe ihres Aufenthalts in Paraguay erschlossen haben, wie beispielsweise Handel, Mechanik, Verwaltung, Wirtschaft oder auch landestypische Speisen. Es folgt ein Beispiel aus dem Bereich der Viehwirtschaft, in dem die meisten Mennoniten tatig sind, seit sie in Paraguay leben [Muhlan- Meyer 2010, S. 80].
Beispiel 5:
wir haben da die zwei bullen| die vierundzwanzig kalber| und=ah und die=ah (--)| wenn er palpacion macht| die kleineren kann er ja dann bei den a:h (--) ah bei den desmamantes beistecken| wenn es eben geht|
Der Viehwirt gebraucht hier fur die Fachausdrucke palpacion (dt. Tra chtigkeitsuntersuchung) und
desmamantes (spanischer Ausdruck fur junge Kuhe) spanische Lehnworter. Teilweise gibt es fur bestimmte Fachtermini in der (Vieh-)Wirtschaft keinen entsprechenden deutschen Ausdruck und es erfolgt deshalb eine spanische Ubernahme.
Da mittlerweile immer mehr Mennoniten Spanisch sprechen (mussen) oder mit der spanischen Sprache im Kontakt stehen, z. B. durchs Fernsehen, Presse, Kontakt zur spanischsprechenden Bevolkerung oder durch die Schule, kommen zusatzlich immer mehr Worter aus dem Alltagswortschatz hinzu. Dazu gehoren vor allem
BegruBungsformeln {hold), Diskurspartikel (dale) und Redewendungen (adelante, vamos, no se) [Muhlan-Meyer 2014, S.146].
Code-Switching
Fuhrend in der Diskussion um die Funktionen von CodeSwitching sind die Arbeiten des amerikanischen Soziolinguisten John Gumperz [Blom/ Gumperz 1972]. Laut Gumperz hat funktionales Code-Switching vor allem eine Kontextualisierungsfunktion und druckt sprachliches Handeln aus. Der Sprecher / die Sprecherin weise oft explizit durch metasprachliche Kommentare auf den Sprachwechsel hin und setze ihn aufgrund von auBeren Faktoren oder aus strategischen Grunden. Mehrsprachige Personen verwenden Code-Switching als eine wichtige Strategie, um Interpretationshilfen zum Verstandnis einer AuBerung zu geben. Man kann bei Code-Switching zwischen situativen Code-Switching, das auBere Faktoren, wie der Wechsel von Gesprachspartnerin oder Gesprachspartner, Ort und Thema sind, und konversationellen Code-Switching unterscheiden, bei welchem aus diskursstrategischen Grunden ein kommunikativer Effekt entsteht [Auer/Eastman 2010, S. 95].
Konversationelles Code-Switching
Wenn bei den Mennoniten ein Code-Switching innerhalb eines Gesprachs mit derselben Sprecherin oder demselben Sprecher stattfindet, hat das zumeist diskursstrategische Grunde und erzielt einen kommunikativen Effekt. Das wortliche Zitieren in der anderen Sprache oder Varietat ist eine der am meisten auftretenden Formen von Code-Switching und kommt in allen mehrsprachigen Gruppen vor. Das hangt damit zusammen, „dass man oft die Stimmlage und den Wortlaut eines Zitats wiedergeben mochte“ und dies kann man naturlich in einer Ubersetzung nicht tun [Riehl 2014b, S. 26].
Das Phanomen des Sprachwechsels bei Zitaten tritt auch bei den Mennoniten sehr oft auf, wie die folgenden Beispiele zeigen [Muhlan 2010, S. 77].
Beispiel 6:
und (.) und dann (-) und dann hat er (.)| er sprachte von essen und nachher ging er (.) ah gute nacht| dann ging wir in zimmer| naja (-)| da sagt ich vamo procurar para comer| und dann gingen wir raus| (also) nach mc donalds ganz dicht bei|
[,Wollen wir was zu essen suchen?`]
Der Sprecher berichtet von einem Erlebnis und als er ein Zitat bringt, wechselt er in die portugiesische Sprache, da er mit seinem damaligen Gesprachspartner auch Portugiesisch geredet hatte. Nach dem Zitat wechselt er wieder ins Deutsche. Da der Sprecher ursprunglich aus einer brasilianisch-mennonitischen Kolonie stammt, wechselt er ins Portugiesische. Bei den paraguayischen Mennoniten tritt dieses Phanomen eher mit einem Wechsel in die spanische Sprache auf.
Viel haufiger kommt es jedoch zu einem Wechsel vom Standarddeutschen ins Plautdietsche [Muhlan 2010, S. 77].
Beispiel 7:
die frau muller die hat mich ganz schon heute geliefert genommen| dass ich die bilder die wir da ausgestellt haben (.)| nur in spanisch beschriftet haben| dot mot en dietsch sene| saichte die| na ech sei: (.) dei wot wi hia wohne| wi chene ol lang jenoch spanisch I (.) dot brukt nich in spanisch sene ehm nich en dietsch sene|
[,Das muss in Deutsch sein, sagte sie, ich sag ihr: Die, die wir hier wohnen, wir konnen schon lange genug Spanisch, das braucht nicht in Spanisch sein, ahm nicht in Deutsch sein`]
Der Sprecher erzahlt von seiner Begegnung mit Frau Muller, die ihn anklagt, weil er bei einer Bilderausstellung in der Kolonie die Fotos auf Spanisch beschriftet hat. Um die Konversion getreu wiederzugeben, wechselt der Sprecher ins Plautdietsche. Ebenso kommt dem Sprachwechsel hier aus diskursstrategischen Grunden eine expressive Funktion zu [Appel/Muysken 2005, S. 119], da der Sprecher mit dem Sprachwechsel zusatzlich seine personliche Einstellung zu der Situation ausdruckt [Riehl 2014b, S. 26]: Er bewertet Frau Mullers Reaktion als ubertrieben, indem er zusatzlich zum Code-Switching in eine hohere Stimmlage wechselt und einen ubertrieben nachahmenden Ton anschlagt.
Auch ein umgekehrter Wechsel, also vom Plautdietschen ins Standarddeutsche, tritt haufig auf [Muhlan 2010, S. 78].
Beispiel 8:
dan wud mon dot evens bloes in betI woe sol ech saieeI ich ich (-)| mon kon jie dot saia saie| wir heben jetzt die kollekte fur die jugendevangelisation| und wir singen jetzt das nachste lied| jo in dan {.) dan {-) es dot irgendswie nich saia moet jemokt| (...) wan mon dot in klien bet erklare det| ok ne jugendevangelisation es doa toe doa om |
[,dann wurde man das eben nur ein wenig, was soll ich sagen, ich ich, man kann ja das sehr einfach sagen, (...) ja und dann, ist irgendwie nicht sehr ermutigend, (...) wenn man das ein wenig erklart, ok, eine Jugendevangelisation ist dazu da um`]
Es handelt sich hierbei um eine Besprechung von den Jugendpastoren einiger Kirchen in Fernheim. Die Sitzung an sich findet komplett in plautdietscher Sprache statt, lediglich fur ein Zitat wechselt der Sprecher ins Standarddeutsche. Es geht dabei um eine Ansage, die am Sonntag in der Kirche gemacht werden soll. Da in der Kirche Standarddeutsch gesprochen wird, und somit die Ansage am folgenden Sonntag auch in Standarddeutsch sein wird, wechselt der Sprecher fur das Zitat in die entsprechende Sprache.
Das nachste Beispiel stammt ebenso aus der Besprechung der Jugendpastoren und zeigt wiederum ein Code-Switching vom Plautdietschen ins Standarddeutsche [Muhlan 2010, S. 78].
Beispiel 9:
A1: dot dot jidra einzelna wud sine declaracion (-) bi am ofjewe| (.) weit ech schreftlich|
Jeder einzeln wurde seine ,Angabe ` (span.) bei ihm abgeben, was weifi ich, schriftlich,
dann brukt man nich saie| najo ech wel (.. ,)| dann braucht man nicht sagen, naja ich will (...)
A3: wofehl prozent wi gleive dot ons toesteht| wie viel Prozent wir glauben, dass uns zusteht -
((Lachen))
A2: hundertfunzfig prozent| hunderfunfzig prozent.
((Lachen))
A1: ich mochte mein mein honorar ah selber beanspruchen| oda due saist ich (...) oder du sagst (...)
spende mein honorar f u r die
jugendevangelisationsprojekt| oda wot ema|
(...) was auch immer,
dann sit mon al final ol ok woe chemtet uet|
dann sieht man ,zuletzt` (span.) schon, ok, wie kommt es aus.
Es handelt sich wieder um Zitate, die in der anderen Sprache ausgefuhrt werden. Warum dieser Wechsel durchgefuhrt wird, lasst sich hier nicht eindeutig sagen. Zum einen wird das Zitat durch den Sprachwechsel deutlicher hervorgehoben. Auf der anderen Seite konnte das letzte Wort des vorherigen Satzes (prozent) als Auslosewort (trigger word) das Code-Switching vorbereitet haben [Clyne 1967; Riehl 2014b]. Denn durch die identische Aussprache des Wortes prozent in beiden Sprachsystemen, wird der Ubergang in die andere Sprache erleichtert. Ein weiterer Grund konnte sein, dass das Sprechen uber Honorar einen offentlichen, amtlichen Charakter hat und generell alles Offentliche in Standarddeutsch geregelt wird. Haufig erfolgt ein Sprachwechsel intuitiv und der Sprecher selbst ist sich seines Code-Switching gar nicht bewusst (psycholinguistisch motiviertes Code-Switching).
Situatives Code-Switching
Das von Gumperz [Blom/Gumperz 1972] beschriebene situative Code-Switching, deren auBere Faktoren u.a. der Wechsel von Gesprachspartnerin oder Gesprachspartner, Ort der Kommunikation oder Thema sind, findet unter den Fernheimer Mennoniten auf klassische Weise statt. Wenn ich als teilnehmende Beobachterin und nur Standarddeutschsprecherin den Raum betrete, wird automatisch ins Standarddeutsche gewechselt. In der CREA5 bat ich die Teilnehmenden sich ausschlieBlich so zu verhalten wie immer, und die Sprache zu wahlen, die ansonsten auch gebraucht wird. Daraufhin sprachen die Landwirte in der groBen Besprechungsrunde Plautdietsch. Als wir uns aber anschlieBend in kleine Gruppen aufteilten, wechselte meine Gesprachsgruppe ins Standarddeutsche.
Ebenso spielt die Ortlichkeit eine Rolle. Wie schon zuvor beschrieben, sprechen die meisten Fernheimer Mennoniten zu Hause Plautdietsch und wechseln ins Standarddeutsche, wenn sie sich in einer offentlichen Situation oder an einem offentlichen Ort befinden. Vor allem in der Kirche, bei der Arbeit und in der Schule wird Standarddeutsch gesprochen. Bei dem regelmaBigen Besuch des Jugendkomitees6 [Muhlan- Meyer 2014] fiel auf, dass das lockere Gesprach vor und das Terere-Trinken7 nach dem offiziellen Teil der Besprechung auf Plautdietsch gehalten wurde. Die Besprechung selbst, die formellen und institutionellen Charakter trug, fand auf Standarddeutsch statt. Ahnliches Verhalten lieB sich im Hauskreis der Alteren8 beobachten, in dem ebenso der informelle Teil auf Plautdietsch und der formelle Teil mit Bibellesen und Diskussion uber den Bibeltext auf Standarddeutsch stattfanden. Bei geistlichen und biblischen Themen wird das Standarddeutsche vorgezogen, wahrend fur Alltagserzahlungen uberwiegend Plautdietsch gewahlt wird.
Dass neben Ort, Thema und Gesprachspartnerin oder Gesprachspartner auch die Sprachpraferenz der Sprecherin oder des Sprechers ausschlaggebend fur ein Code-Switching sein kann, zeigt der nachste Gesprachsausschnitt.
Beispiel 10:
S3: das war so (-)| du meldest dich an| wenn du glaubst dass du was aushalten kannst|
S1: na ne gonz| sone groete bodwonn voll warm tem bispel| in du motzt doa
Na eine ganz, so eine grofie Badewanne voll mit Wurmern, zum Beispiel und du musst da
die nenkrupe| ouda nenalaie|
reinkriechen oder dich reinlegen.
S3: oder die tun (--) ein casco| (.) und dann aufmachen und dann alles voll ,Helm ` (span.)
blutsauger rein|(-) oder skorpione|
S1: oba (.) intlich olles sount wot du die nich konn krank moake|
aber eigentlich immer sowas, was dich nicht krank machen kann.
S2: oder eine dose drinne| und die machen die zu und du muss da|
S1: jo oba (.) oba| ja, aber, aber
S3: ah die ketten dich unter wasser an| und du musst versuchen freizukommen| (.) ohne sauerstoff ja|
S1: jo| oba dei send ollawein emma reid| dot wann du dot nich hantjrijst|
ja, aber die sind uberall immer bereit, dass wenn du es doch nicht schaffst -
S2: na du kriegst ne (-) klingel mit| oder| [Muhlan 2010, S. 83 f.].
S1, S2 und S3 erzahlen einem gemeinsamen Freund von einer Fernsehshow, bei der die Teilnehmenden anhand von verruckten Aktionen zeigen mussen, wie viel sie aushalten. Die Berichtenden zahlen abwechselnd Beispiele aus der Fernsehsendung auf, wobei S1 und S2 auf Standarddeutsch reden und S1 Plautdietsch spricht. Alle Gesprachsteilnehmenden beherrschen sowohl Plautdietsch als auch Standarddeutsch. Sie erganzen sich in ihren Aussagen und gehen in ihren AuBerungen auf einander ein, obwohl sie teilweise unterschiedliche Sprachen bzw. Varietaten sprechen. S1 berichtet in einem Beispiel, dass man als Teilnehmender der Show unter Wasser angekettet werden kann. S1 baut auf das Beispiel inhaltlich auf, spricht allerdings auf Plautdietsch. S2s darauffolgende Erganzung auf S1s Beitrag folgt wieder auf Standarddeutsch. Die Sprachverteilung hangt in diesem Beispiel nicht von den einzelnen turns und ihrer Bedeutung ab, sondern von der Sprecherpraferenz. Die Wahl der Sprache kann dabei aus ganz personlichen Grunden vollzogen worden sein, namlich, dass die Sprecherin oder der Sprecher fur eine Sprache eine ganz besondere Vorliebe entwickelt hat oder sich in einer Sprache sicherer und wohler fuhlt als in der anderen. Das kann damit zusammenhangen, mit welcher Sprache die Sprecherin oder der Sprecher aufgewachsen ist, oder welche Sprache uberwiegend zu Hause gesprochen wird.
Psycholinguistisch motiviertes Code-Switching Neben konversationellem und situativem Code-Switching gibt es noch den von Clyne als psycholinguistisch motiviertes Code-Switching bezeichneten Typ [Clyne 1967], der auch nicht-funktionales Code-Switching genannt wird [Franceschini 1998]. Dort geschieht der Wechsel der Sprachen und/oder Varietaten meist ohne direkte Absicht der Sprecherin / des Sprechers, wie im folgenden Beispiel, in dem der Sprecher sich beim Code-Switching selbst verbessert [Muhlan 2010, S. 81]:
Beispiel 11:
die kuhe sollte auch auch noch palpacion machen| ah (8.0) trachtigkeitsuntersuchungen|
In diesem Beispiel zeigen die Pause (8.0) und der Hasitationsmarker ah an, dass der Sprecher den
Sprachwechsel erst nachtraglich bemerkt und sich verbessem will.
Das nachste Beispiel zeigt eine ahnliche Situation [Muhlan 2010. S. 82].
Beispiel 12:
B2: was sollen wir verkaufen um die carga zu reduziern|
(-) er sagt er hat die die beweidung oder die a:h| (1.5) ja| was is carga auf deutsch|
B1: ja|
B3: belastung|
Der Sprecher B2 merkt, dass er ein spanisches Wort benutzt hat und fragt die Anwesenden nach einer Ubersetzung.
Auer unterscheidet zusatzlich zum Code-Switching noch language-mixing und fused lects [Auer 1999]. Je haufiger die Sprecherin / der Sprecher zwischen den Sprachen und/ oder Varietaten wechselt, desto mehr vermischen die Sprachen und/oder Varietaten und die einzelnen Sprachwechsel haben auf Kontextualisierungsbasis kaum mehr Bedeutung (Language-Mixing). Um fused lects oder Code-Fusing handelt es sich, wenn die Sprachmischung sich in die Grammatik der anderen Sprache oder Varietat stabilisiert. Hinsichtlich der spanischen Sprache gibt es bei den Fernheimer Mennoniten weder ein Language-Mixing noch Code-Fusing. Das Plautdietsche jedoch besitzt bereits so groBen Einfluss, dass die standarddeutsche Grammatik und das Vokabular beeinflusst werden [Muhlan-Meyer 2014]. Da sich jedoch Sprache und Dialekt ahnlich sind, ist die Einflussnahme oberflachlich oft nicht ersichtlich. AuBerdem sollte man hinsichtlich dieser Begrifflichkeiten im Falle des Standarddeutschen und des Plautdietschen vorsichtig sein, da es sich genaugenommen nicht um zwei Sprachen, sondern um uberdachte Sprache und Dialekt handelt. AuBerdem findet der Wechsel vom Standarddeutschen ins Plautdietsche oder umgekehrt in vielen Fallen nicht zwischen einzelnen Wortern oder Satzen statt, sondern eine einzelne Sprache bestimmt einen ganzen Gesprachsabschnitt. Bei einem Themenwechsel kann es dann zu einem Wechsel in die andere Sprache oder Varietat kommen.
Das folgende Beispiel [Muhlan 2010, S. 85 ff.], das zur besseren Ubersicht in mehreren Sequenzen unterteilt analysiert wird, ist ein Beweis fur Language-Mixing zwischen Plautdietsch und Standarddeutsch. Nachdem S3 zuvor auf Plautdietsch uber Eigenschaften des Palo-Santo-Baumes gesprochen hat, greift S1 das Thema Palo-Santo auf, um ein Erlebnis zu erzahlen.
Beispiel 13a:
S1: bei uns zu haus da| ein von unseren eckpfosten
beim tor da| wo wir wohnen da| da so=n dicker palo santo in der mitte| schandlich viele bienen drinne| die poksten hanni einmal ziemlich und dann mich auch| machst tor auf| wenn auf arbeit fahren| und dann hier gleich drei bienen am arm oder genick oder so| dann tat ich (--) diesel reinplenger| und dann eimol schwevel hinjaron| (-) in den hohlen pfosten ganz voll diesel| (-) da fing das an zu <<lachend> brennen und zu brennen>|
Diese erste Episode von S1s Erzahlung hat eine gemischte Struktur. S1 gibt die Einleitung seiner Darstellung und Hinfuhrung zum Thema auf Standarddeutsch wider (bei uns zu haus da\ [...] schandlich viele bienen drinne). Die allgemeinen Hintergrundinformationen werden ebenfalls auf Standarddeutsch formuliert (machst tor auf wenn auf arbeit fahren\ und dann hier gleich drei bienen am arm oder genick oder so). Fur die Beschreibung von konkreten Aktivitaten und Eigenhandlung wird ins Plautdietsche gewechselt (eimol schwevel hinjaron; ,einen Streichholz hinten ran`) oder zumindest plautdietsche Entlehnungen gewahlt (bei den Verben: poksten, reinplengern).
Beispiel 13b:
S3: diesel|
S1: diesel| ja das tat langsam| ja|
S2: ja=a|
S1: und dann brannte das da alles sauber drin| (.) und dann das auskriegen| da hab ich einmal voll wasser in den pfosten reingegossen| die pelesonda dei we kreit em schwung| der war von drinnen gut ange(fangen) ja|
S3: ja|
S1: und dann sind nicht noch mal bienen reingekommen| als ich den mit diesel ausbrannte|
S3: diesel dacht ich musstest du ne weile halten| so dass da luft reinkommt| (5.0)|
S1: am besten geht_n biennest mit haarspray und_n
bensinchen|
Sprecher S3 reagiert auf S1s Erzahlung, indem er nachfragt (diesel) und von S1 eine Antwort bekommt (diesel\ ja, das tat langsam). Diese Sequenz findet auf Standarddeutsch statt. Die Fortsetzung von S1s Erzahlung, Handlungsverlauf und Eigenhandlung werden weiterhin auf Standarddeutsch realisiert (und dann brannte das [...] als ich den mit diesel ausbrannte). Lediglich einen Kommentar, der die Handlung naher beschreibt und auf eine Folge hinweist, formuliert der Erzahler auf Plautdietsch (die pelesonda dei we kreit em schwung; ,der Palo-Santo-Baum war gerade in Schwung`). Nach einer langeren Pause (5.0) fugt der S1 noch eine AuBerung hinzu, wobei er fur Feuerzeug ein plautdietsches Lehnwort (bensinchen) verwendet.
Beispiel 13c:
S3: ech deid latzt| de obeda jleiwte dot jinch nich| we hode onjebielt on soen jreinen ost honge dei son klompe| ne hond voll| n dann seid ech te an| ech boet den n tiendusenda on oda wot| wann sei de wudde vedretje| niemols|
[ ,Ich tat neulich, der Arbeiter glaubte das nicht, wir hatten den Baum mit der Axt angefangen zu bearbeiten, an einem grunem Ast hing ein ganzer Klumpen, eine Hand voll, und dann sagte ich zu meinen Arbeitern, ich biete euch ein Zehntausender an oder so, wenn ihr die mit der Hand zerdruckt. Niemals`].
Nun ergreift S3 das Rederecht und berichtet von einem Erlebnis seinerseits mit einem Bienennest. Er schildert die Erzahlung komplett auf Plautdietsch (Beispiel 13c).
Beispiel 13d:
S1: wie| mit der hand|
S3: ja| mit zwei handen da rangehen und einmal so zu| ((klatscht))
S1: bienen|
S3: ja|
S1: und die sind von drauBen dran| (-) oder sind die drin| S3: nee nee| sind nur so dran [.. ,]| so_n schwarm| n kleiner| S1: ja| dann grad sind die frisch| wenn die frisch sind| sind sie noch nicht so aggressiv|
Als Reaktion auf S3s plautdietsche Erzahlung folgt eine Frage-Antwort-Sequenz (Beispiel 13d). Die knappen AuBerungen werden allesamt auf Standarddeutsch wiedergegeben. Dadurch, dass S1 die Sprache wechselt und seine erste Frage in Standarddeutsch stellt, ist die Wahl der Sprache fiir die folgende Sequenz gegeben. AnschlieBend wechselt S3 aber wieder ins Plautdietsche.
Beispiel 13e:
S3: na dot| oba de sach es die| kon die moa steche wann dej sich on die nonsate kon |
na das, aber die Sache ist, die kann dich nur stechen, wenn die sich an dich dransetzen
en de moajch nena dehe kon doa| (.) wenn du die da erschreckst dann|
kann und ihr Hinterteil in dich reindrehen kann.
S2: dann done dei utschwarme| in dann ha die sich gonz
voll honich jesoage| in dann
dann schwarmen die aus und dann haben die sich ganz voll Honig gesaugt und
tjene die soewieso nich fleie|
konnen sowieso nicht fliegen.
S3: jo oba dann musste miene heind zimlich voll honich jewese sene|
ja aber dann mussten meine Hande ziemlich voll Honig gewesen sein.
S1: ich hab fruher einmal eine von diesen groBen grauen bienennester| da weit ab mit der (,..)| hui das ging ab|
S3 und S2 geben jetzt eine genauere Erlauterung bzw. Erklarung zu den zuvor aufgekommenen Fragen und S1 abschlieBenden Kommentar (wenn die frisch sind sind sie noch nich so aggressiv). Sie wahlen fur diese langere Sequenz Plautdietsch. Als S3 S1 direkt anspricht (wenn du die da erschreckst), wechselt er dazu ins Standarddeutsche, da S1 zuvor auch in Standarddeutsch geredet hatte (vgl. BSP 13d). S2 setzt S3s Erzahlung nach dem standarddeutschen Kommentar fort, allerdings wieder auf Plautdietsch (dann done die utschwarme [...]). S1 wechselt schlieBlich wieder in Standarddeutsche (ich habe fruher einmal eine von diesen grofien grauen bienennester [...]).
In dem langeren Gesprachsausschnitt des Beispiels 13 lasst sich kein eindeutiges Muster fur die Sprachverwendung finden. Code-Switching bzw. Language-Mixing wird hier zur Strukturierung von Erzahlungen und Darstellungen verwendet. Auffallig ist, dass der Sprecher S1 zur Verwendung des Standarddeutschen neigt, wahrend die beiden weiteren Gesprachsteilnehmer S2 und S3 bei langeren AuBerungen zum Plautdietschen tendieren. Auf direkte Fragen wird in der Sprache des Fragestellers geantwortet. Da S1 Standarddeutsch favorisiert wird er bei direkter Ansprache in Standarddeutsch angeredet. Weiterhin werden eher plautdietsche Lehnworter in den standarddeutschen Kontext eingebaut als umgekehrt.
Transferenz
Wenn Mehrsprachige, wie die Fernheimer Mennoniten, ein Morphem aus der einen Sprache mit dem aus einer anderen Sprache identifizieren und grammatische Funktionen ubertragen, nennt man es Transferenz. Solch eine zwischensprachliche Aquivalenzsetzung von Morphemen oder Kategorien kann besonders dann entstehen, wenn es eine formale Ahnlichkeit gibt oder eine Ahnlichkeit in ihren bestehenden Funktionen auftritt, wie es zwischen dem Standarddeutschen und Plautdietschen gegeben ist. Bei den Fernheimer Mennoniten kommen besonders haufige Ubernahmen grammatischer und syntaktischer Phanomene des Plautdietschen in das gesprochene Standarddeutsch vor. Ein Beispiel dafur ist die Transferenz der plautdietschen
Wortstellung bei eingeleiteten Nebensatzen in das Standarddeutsche. Es sind Satze mit verb [projection] raising, weil das infinite Verb (verb raising; Beispiel 14) teilweise mit seiner Erganzung (verb projection raising; Beispiel 15) zur rechten Seite des finiten Verbs ruckt [Kaufmann 2007]:
Beispiel 14:
ich wusste nicht ob peter wurde nehmen oder nicht
Beispiel 15:
die rechneten ganz damit| dass peter hansen wurde pastor sein [Muhlan-Meyer 2014, S. 118].
Es gibt noch zahlreiche weitere Transferenzerscheinungen aus dem Plautdietschen, wie beispielsweise die Genitivumschreibung mit Possessivdativ (dem opa sein buch), was als Relativpronomen (der junge was da steht) oder Unsicherheiten und Verwechslungen beim Gebrauch des Dativs und Akkusativs (das wundert mir ein bisschen) [Muhlan-Meyer 2014].
Zusammenfassung
Es konnte festgestellt werden, dass in der Mennonitenkolonie Fernheim uberwiegend Plautdietsch und Standarddeutsch, gelegentlich Spanisch, gesprochen wird. Dabei gilt, nach Fishman [Fishman 1967], Plautdietsch als L- Varietat, die als Erstsprache zu Hause gelernt und der informellen Kommunikation in der Familie oder unter Freunden dient. Als H-Varietat fungiert das Standarddeutsche, das haufig erst in der Schule gelernt wird und in offentlichen Situationen und v.a. in der Kirche und in der Schule gebraucht wird. Spanisch dient uberwiegend als Kontaktsprache zur paraguayischen Bevolkerung.
Hinsichtlich der Formen mehrsprachigen Sprechens spielt Code-Switching eine groBe Rolle, was bei den Fernheimer Mennoniten sowohl konversationelle Funktion hat, situativ eingesetzt wird oder auch durch nicht-intentionale Prozesse ausgelost wird. Zusammenfassend konnen folgende Funktionen des Code-Switching festgestellt werden:
Code-Switching bei Zitaten,
Code-Switching bei Themenwechsel,
Code-Switching nach sprachlicher Praferenz der Adressatin oder des Adressanten bzw. der Sprecherin oder des Sprechers,
Code-Switching bzw. Entlehnungen aufgrund mangelnden Wortschatzes,
und Code-Switching zur Strukturierung von Darstellungen.
Weitere Formen mehrsprachigen Sprechens sind der Gebrauch von Lehnwortern und der Transfer syntaktischer und grammatischer Strukturen einer Sprache oder Varietat in die andere.
Notes
Im Aufsatz orientieren wir uns an unsere Magisterarbeit und die Dissertation [Muhlan 2010; Muhlan-Meyer 2014]. Die Daten sind den Korpora der beiden Arbeiten entnommen (auch Informationen zum geschichtlichen Hintergrund der (Fernheimer) Mennoniten und zur ethnografischen Beschreibung der Kolonie Fernheim).
Man untersuchte die Sprachkompetenz der drei Kontaktsprachen in der Kolonie Fernheim: Plattdeutsch erhielt die hochste Kompetenz (12,9 Punkte), Hochdeutsch stellt mit geringem Unterschied die zweitstarkste Sprache dar (11,6 P.) und Spanisch nimmt einen im Vergleich sehr geringen Wert ein (6,9 P.). Im mundlichen Gebrauch steht Plattdeutsch mit Abstand an hochster Stelle (19,2 P.), wahrend sich Hochdeutsch (8,5 P.) und Spanisch (1,9 P.) deutlich darunter ansiedeln [Kaufmann 2004, S. 277].
Im Aufsatz wird von Standarddeutsch gesprochen, gemeint ist die mundliche standardnahe Umgangssprache (Mennonitendeutsch).
In der Sprachkontaktforschung gibt es mehrere Begriffe fur die Sprachen, die miteinander in Kontakt stehen und sich vermischen, wie z.B. Basissprache und Zweitsprache [Grosjean 2008], Gebersprache und Nehmersprache, Quellsprache und Zielsprache, fremde und einheimische Sprache, Matrix Language und Embedded Language [Myers-Scotton 1993].
CREA (Consorcio Regional de Experimentation Agropecuario) ist eine Gruppe von i.d.R. zwolf Land- oder Viehwirten, die sich einmal im Monat trifft, um uber land- bzw. viehwirtschaftliche Themen zu beraten.
Das Jugendkomitee ist eine Gruppe von jungen Leuten im Alter von 15 bis 20 Jahren, die sich unter der Leitung des Jugendpastors einmal die Woche trifft, um das Jugendprogramm ihrer Kirchengemeinde zu planen.
Bei Terere handelt es sich um einen Tee, der aus Yerba gemacht wird und entweder kalt (Terere) oder heiB (Mate) getrunken wird. Das gemeinschaftliche Trinken aus einer guampa (TrinkgefaB) ist eine paraguayische Tradition mit besonderer kultureller Bedeutung, die die Mennoniten schon sehr fruh von den Paraguayern ubernommen haben.
Hauskreise sind kleinere, von der Kirchengemeinde ausgehende Gruppen von 8 bis 12 Leuten, die sich regelmaBig zum gemeinsamen Gebet, Bibelstudium und personlichem Austausch in den Hausern treffen.
References
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