The character of the collector as a creative subject in the German and Russian novels after 1980

Mit der figur des sammlers als eines kunstlerischen subjekts schafft der postmoderne Autor "das Portràt des Kunstlers als toten Mann". Das inhaltlicher Anlehnung an den Titel des romans von James Joyce "Ein portrat des kunstlers als junger mann".

Ðóáðèêà Ëèòåðàòóðà
Âèä ñòàòüÿ
ßçûê àíãëèéñêèé
Äàòà äîáàâëåíèÿ 17.06.2021
Ðàçìåð ôàéëà 38,0 K

Îòïðàâèòü ñâîþ õîðîøóþ ðàáîòó â áàçó çíàíèé ïðîñòî. Èñïîëüçóéòå ôîðìó, ðàñïîëîæåííóþ íèæå

Ñòóäåíòû, àñïèðàíòû, ìîëîäûå ó÷åíûå, èñïîëüçóþùèå áàçó çíàíèé â ñâîåé ó÷åáå è ðàáîòå, áóäóò âàì î÷åíü áëàãîäàðíû.

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THE CHARACTER OF THE COLLECTOR AS A CREATIVE SUBJECT IN THE GERMAN AND RUSSIAN NOVELS AFTER 1980

Kuchumova G. V. Samara, Russia

Àííîòàöèÿ

ÔÈÃÓÐÀ ÊÎËËÅÊÖÈÎÍÅÐÀ ÊÀÊ ÒÂÎÐ×ÅÑÊÎÃÎ ÑÓÁÚÅÊÒÀ  ÍÅÌÅÖÊÎÌ È ÐÓÑÑÊÎÌ ÐÎÌÀÍÅ ÏÎÑËÅ 1980 ã.

Êó÷óìîâà Ã.Â. Ñàìàðà, Ðîññèÿ

Òåìà ñòàòüè îïðåäåëÿåòñÿ àêòóàëüíîé â ïîëå ëèòåðàòóðíîãî ïîñòìîäåðíèçìà ïðîáëåìîé òâîð÷åñêîãî ñóáúåêòà, ðåøàþùåãî âîïðîñ î ñàìîèäåíòèôèêàöèè. Ïîçèöèÿ ïîñòìîäåðíèñòñêîãî «ðàçäðîáëåííîãî» ñóáúåêòà ïðåäïîëàãàåò ñèòóàöèþ ïîèñêà «ß» â àêòàõ «ñîáèðàíèÿ ñåáÿ». Äëÿ ðåàëèçàöèè ïðîåêòà «ñîáèðàíèÿ ñåáÿ» ïîñòìîäåðíèñòñêèé ñóáúåêò ïåðåêëþ÷àåò ðåøåíèå òâîð÷åñêîé çàäà÷è â ðåãèñòð ñîñòàâëåíèÿ êîëëåêöèè. ßðêîå ïðîÿâëåíèå òâîð÷åñêîãî ñóáúåêòà - ýòî ôèãóðà õóäîæíèêà-êîëëåêöèîíåðà, êîòîðûé òâîðèò ñâîþ ñóáúåêòèâíîñòü â ïîëå îñîáîãî íàïðÿæåíèÿ.

Ïîñòìîäåðíèñòñêèé ðîìàí î õóäîæíèêå-êîëëåêöèîíåðå õóäîæåñòâåííî îñìûñëÿåò ïðîöåññû è ñïîñîáû «ñáîðêè» òâîð÷åñêèì ñóáúåêòîì ñàìîãî ñåáÿ, ïåðåäàåò äðàìàòè÷åñêèé ìîìåíò è äèíàìèêó ïîèñêà ñîâðåìåííûì ÷åëîâåêîì íîâûõ ñõåì ñàìîèäåíòèôèêàöèè.

Ïðåäìåòîì èññëåäîâàíèÿ âûñòóïàåò ôèãóðà êîëëåêöèîíåðà â ïîñòìîäåðíèñòñêîì ðîìàíå î õóäîæíèêå. Ñóùåñòâîâàíèå êîëëåêöèîíåðà, ìàðãèíàëüíîãî õóäîæíèêà (àóòñàéäåðà, ôàíàòèêà, öèíèêà) íà ïðåäåëå ñâîèõ ñèë è âîçìîæíîñòåé îáíàðóæèâàåòñÿ êàê â äóõîâíîé êîíñòðóêöèè ãåðîÿ, òàê è â ñþæåòå ãåðîÿ (åãî ïóòü èíèöèàöèè).

 ïîëå èññëåäîâàíèÿ âêëþ÷åíû íàèáîëåå ïîêàçàòåëüíûå â ýòîì îòíîøåíèè ïîñòìîäåðíèñòñêèå ðîìàíû î êîëëåêöèîíåðå.  ðîìàíàõ íåìåöêèõ ïèñàòåëåé Ïàòðèêà Çþñêèíäà «Ïàðôþìåð» (Das Parfum, 1985), Ìàðñåëÿ Áàéåðà «Ëåòó÷èå ñîáàêè» (Flughunde, 1995) è ðóññêîãî àâòîðà Äèíû Ðóáèíîé «Ñèíäðîì Ïåòðóøêè» (2013) îáîçíà÷åíà öåíòðàëüíàÿ ôèãóðà êîëëåêöèîíåðà, âûäåëåí «òâîð÷åñêèé õðîíîòîï», ïðåäñòàâëåíû ðàçíûå ñòðàòåãèè êîëëåêöèîíèðîâàíèÿ, ýñòåòè÷åñêîãî ñîáèðàíèÿ è ðàçíûå ìîäåëè ìàðãèíàëüíîãî õóäîæíèêà.

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Ïðåäëîæåííàÿ ìåòîäîëîãèÿ ðàññìîòðåíèÿ ôèãóðû êîëëåêöèîíåðà è èññëåäîâàíèÿ ñòðàòåãèé êîëëåêöèîíèðîâàíèÿ â íîâåéøåì ðîìàíå ìîæåò áûòü ïðèìåíèìà è ê äðóãèì ïîñòìîäåðíèñòñêèì ðîìàíàì î õóäîæíèêå.

Êëþ÷åâûå ñëîâà: òâîð÷åñêèé ñóáúåêò; ïîñòìîäåðíèçì; ðîìàíû; êîëëåêöèîíåðû; ëèòåðàòóðíûå îáðàçû; ëèòåðàòóðíîå òâîð÷åñòâî; íåìåöêàÿ ëèòåðàòóðà; íåìåöêèå ïèñàòåëè; ðóññêàÿ ëèòåðàòóðà; ðóññêèå ïèñàòåëè.

Ahstract

The article deals with the actual problem of creative subject in the field of literary postmodernism, which solves the problem of self-identification. The postmodern “fragmented” subject is in the situation of “I-searching” in the “self-collection”. The collection strategy is as “collection of one's own self'. In the postmodern novel the genuine artistic creation is replaced by the collection process. A typical example of the postmodern artist subject is the character of the collector, who creates his subjectivity in the field of special forces stress. The postmodern novel about the artist-collector reflects on the processes and methods of the collecting by the creative subject of himself, describes the dramatic moment and dynamics of modern man's search for new schemes of self-identification.

The subject of the study is the character of a collector in a postmodern novel about the artist. The existence of the collector as a marginal artist (outsider, fanatic, cynic) at the limit of their strength and capabilities consists in the spiritual structure of the protagonist and in the story of the protagonist (his path of initiation).

The examples are based on the postmodern German and Russian language respect novels about the collector. “Das Parfum” (1985) by Patrick Suskind, “Flughunde” (1995) by Marcel Bayer and “Petrushka Syndrome” (“Ñèíäðîì Ïåòðóøêè”, 2013) by Dina Rubina present the central character of the collector and different models of marginal artist. The study is focused on the creative chronotope and different collection patterns.

The postmodern authors describe an alternative ontological model of the world, implemented in an unusual story of a collector “collecting himself” in unusual circumstances. The proposed methodology of considering the collector's character and studying the strategies of collecting in the postmodern novel can be applied to other postmodern novels about the artist.

Keywords: creative subject; postmodernism; novels; collectors; literary images; literary creativity; German literature; German writers; Russian literature; Russian writers.

In den letzten Jahrzehnten geht es um einen grundliegenden Wandel in allen Bereichen: Wandel der Werte und Einstellungen, der gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen. Diese als eine postmoderne bezeichnete Situation ruft Unsicherheit und Desorientierung, Verlust der alten, liebgewordenen Orientierungen und Denkmuster, das Verschwimmen der Schwellen, die traditionell für unverrückbar gehalten werden, hervor. Heute kann eine scharfe Trennungslinie zwischen Subjekt und Objekt, Gut und Böse, Körper und Geist, Mann und Frau, Mensch und Tier u.a., nicht mehr gezogen werden.

Die Verschiebung der tradierten Schwellen verändert das Selbstverständnis und Selbsterleben des Subjekts, sowie seine Schwellenerfahrung. Problematisiert werden auch die Position des postmodernen Subjekts und seine Identifikationsformen. Der französische Philosoph Baudrillard stellt fest: „Die Position des Subjekts [ist heute] schlichtweg unhaltbar geworden. <...> Wir erleben die letzten Zuckungen dieser Subjektivität, und dabei werden immer noch neue Subjektivität erfunden“ [Baudrillard 1985: 140]. Derrida mit seiner Idee der Dekonstruktion lässt das metaphysisch-hierarchische System und das Subjekt selbst radikal dekonstruieren (vom Verschwinden des Subjekts, „Tod des Subjekts“), die zur Rekonstruktion des Subjekts, zum Rückkehr des Subjekts in Postmoderne führt [Zima 1994: 194-219].

Das „zerspaltete“ und ontologisch unsichere Subjekt mit fließender Identität muss seine persönlichen Grenzen, die verschwommen sind, neu bauen, sich an „einem kontinuierlichen und kreativen Prozess der Selbstorganisation teilnehmen“ [Hitzler, Honer 1994: 311] und durch das Sich- Selbst-Sammeln (Foucaults Projekt der Selbst-Konstituierung) neu konstituieren bzw. subjektivieren. Das postmoderne Subjekt ist also „verurteilt zur endlosen Suche nach einem festen Punkt in sich selbst“ [Baumann 1992: 244]. Darin zeigt sich die Suche des postmodernen Menschen nach neuen Formen der Selbstidentifizierung.

In den literarischen und theoretischen Diskursen ist die Figur des Sammlers von besonderem Interesse. Mit seiner verschwommenen Identität ist der Sammler dazu gezwungen, sein „eigenes Leben“ zu entwerfen, und „Lebenscollage“ zu gestalten, aus einzelnen Elementen sich selbst sammeln (das sogenannte „Patchwork-Identität“-Projekt) [Keupp 2006: 82]. Wie ein Dada-Kind sammelt das postmoderne „Ich“ in sich einfache, willkürliche Elemente, Aktionen oder Dinge, die seine Identität sichern und schützen können [Hitzler, Honer 1994: 308]. Es muss durch seine Praktiken (Archivieren und Sammeln) sich selbst neu konstituieren, indem er sich mit einer „alltäglichen Identitätsarbeit“ beschäftigt [Bückmann 2007: 171]. In der postmodernen Kultur, die aus der Perspektive der Peripherie zu interpretieren ist, ist also das marginale Subjekt (Außenseiter, Grenzgänger, Verrückter, Clown, Narr, Zyniker u.a.) wieder im Spiel [Fuko 1997: 42-52].

Das Phänomen des „zerspalteten“ Subjekts signalisiert von der Marginalisierung des ganzen soziokulturellen Systems. Marginale Elemente und Randstrukturen treten so wie der Topos des „Fremden“ in den Vordergrund [Ba- tay 1992: 89-116]. Es geschieht ein Rollenspielwechsel: die Marginalen als Kulturträger zeigen ihr kreatives Potential und spielen im kulturellen Transformationsprozess eine wesentliche Rolle. Sie häufen ein bestimmtes kritisches

Reflexionsmaterial an, das sich nicht sozial, sondern „nach innen“ orientiert. Alle Schwellen überschritten, dekonstruieren die Marginalen die Geschlossenheit der altgewordenen epistemologischen Systeme und schaffen neue kulturelle Phänomene. Die Existenzform eines postmodernen Subjekts wird vor allem von jenen Regeln der Selbstregierung oder Selbstregulierung bestimmt, die der freien Wahl überlassen sind. Das zeugt von der vollständigen Destruktion des Subjekts, das eine „unmögliche Erfahrung“ macht.

Das postmoderne Subjekt hat mit der «unmöglichen Erfahrung“ vieles zu tun. Im philosophischen Diskurs (G. Bataille, M. Foucault, J. Derrida u.a.) geht es um das Konzept der «Transgression» (lat. Übergang in einer extremen Situation, dt. „Aufhebung“, Hegel) [Fuko 1994: 111133]. Der Begriff der Transgression bezeichnet die Überschreitung und Auflösung der Schwellen. Foucault nennt die Transgression eine „Geste, die auf die Grenze des Unmöglichen gerichtet ist“. In einer Extremsituation kann das künstlerische Subjekt das Unmögliche erschließen, eine «unmögliche Erfahrung» davon machen, eine neue Subjektivität bzw. eine Ganzheitlichkeit neu konstruieren [Fuko 1997: 42-52].

Mit der Figur des Sammlers als eines künstlerischen Subjekts werden neue Subjektivierungsformen in der Literatur des neuen Jahrtausends erarbeitet. Aus dem „Zeitgeist“ entsteht eine gattungsspezifische Romanform, die dem künstlerischen Subjekt entspricht, und zwar „der postmoderne Künstlerroman“ [Zima 2008]. Die Suche des Sammlers nach seiner eigenen Identität ist synonym der Suche des Künstlers nach der wahren Kunst und der ihr entsprechenden Subjektivität. Der postmoderne Künstlerroman bietet eine neue Sicht auf das Thema des Künstlers und demonstriert ein alternatives ontologisches Weltmodell, in dem sich der phänomenale Protagonist unter ungewöhnlichen Bedingungen seine neue Subjektivität sondererweise konstruiert.

Im postmodernen Künstlerroman wird eine spezifische künstlerische Tätigkeit als ein Sich-Sammeln-Prozess gezeigt. Die Analogie zwischen einem Sammler und einem Künstler ist klar und deutlich. Die „Ästhetik der Existenz“ des Sammlers ist insgesamt einer Künstlerexistenz ähnlich. Er sammelt die ästhetischen Elemente in sich und bastelt davon seine Gesamteinheit [Hitzler, Honer 1994]. (Nicht von ungefähr wird der Sammler im postmodernen Künstlerroman mit einem spielenden Kind verglichen.)

Im Mittelpunkt unserer Forschung stehen die deutschund russischsprachigen Romane von Patrick Süskind (geb. 1949) „Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders“ (1985), Marcel Beyer (geb.1965) „Flughunde“ (1995), Dina Rubi- na (geb.1953) «Ñèíäðîì Ïåòðóøêè» (Sindrom Petrushki, 2013) „Das Angelmann Syndrom“ oder das Syndrom der „glücklichen Marionette“, das Petruschka Syndrom“, eine seltene angeborene Erkrankung., in denen die Figur des Sammlers zum perspektivischen Zentrum des Romans wird. Die drei monadischen Protagonisten besitzen eine phänomenale Begabung, dank deren sie die Welt in sich sammeln und sie auf eine spezifische Weise entdecken können. So schafft Patrick Süskind in seinem Roman „Das Parfum“ das Porträt eines marginalen Sammlers. Das olfaktorische Genie Grenouille entwickelt sich von dem wissensbegierigen Naturwissenschaftler zum Künstler mit poetischem Verständnis.

Marcel Beyer erzählt die Geschichte von einem Geräuschsammler und Schallforscher im Dritten Reich. Als ein begabter Toningenieur mit dem poetischen Verständnis verändert er sich durch die Technik in homo faber. Die neuste Technik sieht er als Möglichkeit, die Welt akustisch zu erschließen.

Dina Rubina stellt in ihrem Roman den Typ des genialen Puppenspielers und -sammlers Peter Uksussow dar. Ihn lockt das faszinierende Reich der Puppen an, wo sich Mensch und Puppe in einander einleben und einander ersetzen können.

Die Grenzexistenz des marginalen Sammlers macht ihn frei von der Macht der konventionellen Sprache. Die postmoderne Dekonstruktion der Sprache lässt neue alternativen Formen der Kommunikation aktualisieren, die im Bereich des Unsagbaren liegen. In der Postmoderne steht die Sprache nicht in einem Abbildungsverhältnis zu einer gegebenen Wirklichkeit und ist kein Königsweg zur Wahrheit. Der letzte Grund der Sprache bleibt das Unsagbare, das Unhörbare und das Untastbare.

So ist in Süskinds Roman alles olfaktorisch kodifiziert. Der Hauptprotagonist Grenouille kann ausschließlich die olfaktorische Sprache verstehen. Der feine Geruchsinn wird für ihn zur einzigen Orientierungshilfe. Grenouille wächst sprachlos auf. Sein erstes Wort spricht er mit vier Jahren, als Erwachsene kann er nur unartikulierte Laute vor sich geben. Sein Lexikon ist sehr begrenzt. „<...> mit abstrakten Begriffen also, vor allem ethischer und moralischer Natur, hatte er die größten Schwierigkeiten“ [Süskind 1985: 33]. Beyers Kar- nau ist im Umgang mit den anderen immer wortkarg. Für ihn ist Akustik das einzige Orientierungsmittel. Perfekt beherrscht er nur die Sprache der Technik. Der Puppensammler Peter ist menschenscheu. Mit seinen Schulkameraden unterhält er sich sehr wenig. Wenn er an die Tafel gerufen wird, so verschlägt ihm die Angst die Sprache. Um seinen Autismus irgendwie zu beseitigen, steckt ihm seine Mutter jedes Mal eine Puppe in die Hand. Die Puppensprache kann er einwandfrei verstehen.

Die Autoren der genannten Romane greifen zu spezifischer Optik. Süskind erzählt die Geschichte eines Sammlers aus der olfaktorischen Perspektive. „Das Parfum“ reduziert sich ausschließlich auf die olfaktorische Weltsicht. Die Romanwelt bei Beyer ist akustisch zentriert. Das menschliche Universum wird hier durch Stimmen und Töne, Laute und Geräusche kodifiziert. Der Roman von Dina Rubina steht unter dem Zeichen der Puppe.

Der Sammler als ein künstlerisches Subjekt wird im Licht seiner individuellen Genialität gesehen. Er hat ein angeborenes Talent, eine phänomenale Begabung, für deren Realisierung er eine große Verantwortung trägt. Solche «Spezialisierung», so betont C. Weimann, ist leicht zu erklären. Die Dekonstruktion der Sprache führt zur „Rehabilitierung menschlicher Sinnlichkeit“ [Vayman 1999: 229], die in der postmodernen Welt „vergessen“ und durch Simulationsformen ersetzt wird. Die Verschärfung eines der Sinneskanäle lässt den marginalen Sammler seine Wahrnehmungskapazität erweitern, die erschließungskräftigeren Perspektiven eröffnen, intensive und authentische Erfahrung machen, in das Tiefste des Seins greifen [Welsch 1990: 35].

So konzentriert sich Grenouille bei Süskind ausschließlich auf die olfaktorische Wahrnehmung. Er kann die Gesamtheit des Duftgemenges nicht nur riechen, sondern es analytisch in seine kleinsten und entferntesten Teile und Teilchen aufspalten.

„Seine feine Nase entwirrte das Knäuel aus Dunst und Gestank zu einzelnen Fäden von Grundgerüchen, die nicht mehr weiter zerlegen waren. Es machte ihn unsägliches Vergnügen, diese Fäden aufzudröseln und aufzuspinnen“ [Süskind 1985: 44].

Der Geräuschsammler Hermann Karnau aus dem Roman „Flughunde“ hat einen feinen Hörsinn. Er sammelt menschliche Lautäußerungen auf Tondokumenten, um eine Karte sämtlicher menschlicher Töne anzufertigen. Er benutzt die neuen Medien, Radio und Aufnahmetechnik, um ins Innerste der Natur, ins Herz eines Menschen einzudringen, das eigentlich Unerhörte zu entdecken und es zu archivieren. Einerseits vertieft sich Karnau in die tierische Welt der Flughunde, andererseits strebt er sich nach den „göttlichen Stimmen“ der Kinder. Einen weißen Fleck in seiner Stimmkartographie bildet der Ultraschall, nie hörbare Töne in der Welt, die nur die Tiere kennen [Beyer 1996: 179]. Sein Schallarchiv zählt verschiedenartige Aufzeichnungen, z.B. „Der Führer hustet“, die Geräusche, „welche die Absonderungen der Bauchspeicheldrüse verursachen, oder das extrem verstärkte Klappen von Augenlidern“ [Beyer 1996: 219, 222].

Der Sammler bei Rubina hat einen raffinierten Sinn für Puppen. Peters einziger wachgebliebene Sinn, durch den er mit der Außenwelt verkehren kann, ist das Tastgefühl der Hände, während Gesichts-, Gehörs-, Geruchs- und Geschmackssinn bei ihm schlummern. Peter beherrscht die Puppensprache perfekt. Im Marionettentheater und Straßentheater lernt er die Kunst der Puppenaufführung. Er versteht es, verschiedene Puppenarten aus den Kasperletheater (Finger-, Hand-, Faden-, Stab-, Marionetten-, Kasperpuppen) umzugehen, bis er seine Hauptpuppe Alice konstruiert, eine feine Gebilde in Form einer menschlichen Gestalt.

«Ìàëü÷èê óæå çíàë, ÷òî ìèð êóêîë òàê æå íåîáúÿòåí, ãóñòîíàñåë¸í, êàê è öåëûé çåìíîé øàð. Ñ åãî ñòàíàìè, íàðîäàìè, öâåòàìè è äåðåâüÿìè, æèâîòíûìè è ïòèöàìè, îáëàêàìè, ñíåãîì è äîæäåì. ×òî â íåì åñòü òàéíà æèçíè, êàêîé-òî äðóãîé æèçíè, ÷òî ýòó òàéíó ñëåäóåò íåóñòàííîãî èñêàòü è èçâëåêàòü è ÷òî îòêðûâàåòñÿ îíà äàëåêî íå âñåì, îòíþäü íå âñåì äàæå ïðîôåññèîíàëàì, à òîëüêî èçáðàííûì, çà÷àðîâàííûì, ñåáÿ çàáûâøèì ëþäÿì» [Kursivdruck: Rubina] [Rubina 2011: 169].

„Der Junge wusste schon, dass die Welt der Puppen ebenso weit und reich ist, wie die Welt der Menschen. Mit ihren Dörfern und Städten, mit vielen Völkern, mit Blumen und Bäumen, Tieren und Vögeln, Wolken, Schnee und Regen. Dass hinter der Puppenwelt das Geheimnis des Lebens, eines anderen Lebens steckt, dass er dieses Geheimnis unermüdlichen suchen muss und dass dieses Geheimnis bei weitem nicht jedem offen steht und es ausschließlich nur einem Eingeweihten erschlossen wird <...>“ [Übersetzung: G.K.].

Der marginale Sammler gerät in den Nullpunkt seiner Existenz. Von diesem Anfangspunkt beginnt seine Entwicklung (Geburt, Aufwachsen, Lehr-, Wander- und Meisterjahre). In den vorliegenden Romanen scheint der Sammler wie ein Hohlkörper, wie ein konturloser Mensch „ohne Schatten“ dargestellt.

So besitzt der Toningenieur Kamau aus Beyers „Flughunde“ praktisch keine eigene stimmliche Identität. Er ist charakterloses Wesen, gesichts- und körperlos, ohne Identität und Eigenschaften („Mann ohne Eigenschaften“, R.Musil). In der Jugendzeit erlebte er keinen Stimmbruch, sein Sprechorgan ist „von Unbeweglichkeit geprägt“. Entsprechend ist er „ein Mensch, über den es nichts zu berichten gibt“, „eine glatte Wachsmatrize“ [Künzig 1998: 132]. Eine etwas ähnlich gelagerte Figur stellt interessanterweise der mörderische Jean-Baptiste Grenouille aus Süskinds „Das Parfum“ dar. Grenouille hat „keinen Raum, keine Schatten“ [Süskind 1985: 194], sowie keinen Eigengeruch, wohl aber einen absoluten Geruchssinn.

Das Motto zum Roman «Ñèíäðîì Ïåòðóøêè» informiert den Leser, dass Peters Körper von einem dämonischen Geist aus Luft geschaffen war, der die Seele des Neugeborenen zu sich nahm.

«Îäíàæäû, ñèëîþ ñâîåé ïðåâðàùàÿ âîçäóõ â âîäó, à âîäó â êðîâü è óïëîòíÿÿ â ïëîòü, ñîçäàë ÿ ÷åëîâå÷åñêîå ñóùåñòâî - ìàëü÷èêà, òåì ñàìûì ñîòâîðèâ íå÷òî áîëåå âîçâûøåííîå, ÷åì èçäåëèå Ñîçäàòåëÿ. Èáî òîò ñîçäàë ÷åëîâåêà èç çåìëè, à ÿ - èç âîçäóõà, ÷òî ìíîãî òðóäíåå <...>. Òóò ìû ïîíÿëè, ÷òî îí (Ñèìîí Âîëõâ) ãîâîðèë î ìàëü÷èêå, êîòîðîãî óáèë, à äóøó åãî âçÿë ê ñåáå íà ñëóæáó» [Kursivdruck: Rubina] [Rubina 2011: 5] „Durch meine magische Kraft bei der Umwandlung von Luft in Wasser, Wasser in Blut und diese in das Fleisch verdichtet, kreierte ich einmal ein Lebewesen - einen kleinen Jungen, also schuf ich etwas Höheres und Erhabenes, als die Gottes Schöpfung. Denn der Gott schuf den Menschen aus der Erde und ich aus der Luft, was viel schwieriger ist <...>. Da verstanden wir, dass er (der Heilige Simon) von dem Jungen sprach, den er tötete und seine Seele sich zum Dienst nahm“. - Übersetzung: G.K..

Das „Sich-Sammeln-Projekt“ benötigt auch die Differenz zum Anderen. Als Außenseiter sucht der Sammler nach sinnvoller und ihn ausfüllender privater Existenz. Er braucht einen individuellen Raum, in dem er nach einer Grundlage für seine neue Subjektivität erfolgreich suchen kann. Hier am Indifferenzpunkt, wo Zeit und Raum, die Gegenstände und die irdischen Koordinate aufgehoben sind, schafft der Sammler sein künstlerisches Paradies.

Die Selbstisolierung des künstlerischen Bereichs wird von den Autoren der vorliegenden Romane mit besonderem Nachdruck betont. Dank der absoluten Geruchlosigkeit von Grenouille werden die festen Grenzen zwischen ihm und einem Anderen gezogen. Er ist also durch den phantastischen Geruchssinn und zugleich durch die Geruchslosigkeit von anderen Menschen abgesondert. Niemand bemerkt ihn. Seine Absonderlichkeit hilft ihm sich vollständig auf seine olfaktorische Arbeit konzentrieren.

Beyer garantiert dem Geräuschsammler die Unverletzlichkeit seines privaten Raumes. Der Toningenieur Kamau arbeitet nachts in seinem Aufnahmestudio, in einem gekachelten, neonbeleuchteten Raum, so wie in einem Operationssaal, wo er verschiedenartige Körpergeräusche sortiert. Sein Arbeitszimmer ist sauber und steril, denn „Staub ist tödlich und tötet jeden Klang“ [Beyer 1996: 21]. In der Nachtruhe spult er die am Tage aufgenommenen Stimmen vor- und zurück. „Niemand stört ihn. Niemand kann gemeinsam mit Karnau die akustische Karte betrachten und seine Erklärungen lauschen“ [Beyer 1996: 124].

Im Roman von Rubina wird Peters Behinderung durch seinen Autismus mehrmals betont. Er ist immer geschlossen und in sich versunken. Oft gerät er in einen Verpuppungszustand, wenn er in seiner Werkstatt alleine arbeitet. Die selbstgewählte Isolierung macht Peter frei und unabhängig von der Macht der Anderen. In seinem „Puppenreich“ arbeitet er immer in der Nachtruhe, damit kein Geräusch von draußen ihn stören konnte. Seine Frau Lise spricht von ihm im bitterbösen Ton: «Â åãî èìïåðèè íåò ìåñòà æèâîé æåíùèíå» [Rubina 2011: 267]. «Â ñâîåé èìïåðèè îí áûë ìîãóùåñòâåíåí è àáñîëþòíî ñ÷àñòëèâ. Ñàìûé ñ÷àñòëèâûé âëàñòåëèí ñàìîé ñ÷àñòëèâîé èç âñåõ êîãäà-ëèáî ñóùåñòâîâàâøèõ íà ñâåòå èìïåðèé» [Rubina 2011: 399] „Durch meine magische Kraft bei der Umwandlung von Luft in Wasser, Wasser in Blut und diese in das Fleisch verdichtet, kreierte ich einmal ein Lebewesen - einen kleinen Jungen, also schuf ich etwas Höheres und Erhabenes, als die Gottes Schöpfung. Denn der Gott schuf den Menschen aus der Erde und ich aus der Luft, was viel schwieriger ist <...>. Da verstanden wir, dass er (der Heilige Simon) von dem Jungen sprach, den er tötete und seine Seele sich zum Dienst nahm“..

Die Grenzexistenz bereitet dem Sammler anstrengende Arbeit und exaltierte Euphorie zugleich. Die Autoren der Romane beschreiben die Schwellenerfahrung ihrer Protagonisten wie eine lebenslange Besessenheit. Die Analogie mit der Inspiration des Künstlers ist hier klar. Der Sammler als Demiurg hat Sinn für das Eigentümliche und Geheimnisvolle, stellt das Undarstellbare dar, sieht das Unsichtbare, hört das Unhörbare etc. So entsteht eine wunderliche Einheit von Sichtbarem und Unsichtbarem, Nahem und Fernem, Rationalem und Emotionalem. Der Sammler macht sich auf seine so vollkommen verschiedene Art selbst zu fanatischen Erforschern, der seiner Begabung folgt. Die Inspiration des Künstlers, seine poetische Kraft und seine schöpferische Tätigkeit, die gestreuten ästhetischen Bedeutungen der Welt in sich zu sammeln, werden im postmodernen Roman durch den Forscherwahn, das Kinderfieber oder durch die atavistische Lust des Jägers ersetzt.

Der Duftkünstler Grenouille wird mit einem Raubtier, der mit geblähten Nüstern auf sein Opfer wartet, oder mit einem Raubfisch im dunklen Wasser verglichen. Grenouille jagt noch unbekannte Gerüche „mit der Leidenschaft und Geduld eines Anglers und sammelte sie in sich“ [Süskind 1985: 45]. Wie im Kinderfieber „hielt er sie fest, zog sie in sich hinein und bewahrte sie in sich für alle Zeit“ [Süskind 1985: 44].

Karnaus menschenverachtenden Versuche lassen sich vielmehr auf einen privaten Wahn zurückführen. Er sammelt akustische Grenzphänomene in sich, jagt die hilflosen, gefolterten Körpern im KZ oder an der Ostfront, sammelt die Leidenslaute der Soldaten und KZ-Häftlinge sowie die Opfer medizinischer Experimente. Wie besessen nimmt Karnau die von Soldaten ausgestoßenen Schmer-zensschreie und Stöhne auf. Auf dem Schlachtfeld tarnt er seine Apparatur, steckt das Mikrophon in die feuchte Erde, rollt Kabel ab, dreht die Spule durch. Er ist voll von Begeisterung:

“Welche Erscheinungen <...> Jetzt kehren die Stimmen <...> an ihren Ursprung, die Sterbenden, da sie die Stimme nicht mehr halten können und sich die Schreie einen Weg bahnen nach draußen. <...> animalische Töne, sie werden jetzt nicht mehr geformt im Kehlkopf, und werden nicht gedämpft im Hals, sie erfüllen den gesamten Rachenraum <...> Welch ein Geschehen. Welch ein Panorama“ [Beyer 1996: 114-115].

Mit dem Perfektionswahn lernt Peter die Puppen aufführen.

«Ëèøü ñïóñòÿ ìíîãî ëåò Ïåòÿ ïîíÿë, ÷òî èõ ðîäíèëî ñ Êàçèìèðîì Ìàòâååâè÷åì. Òîò òîæå áûë è îõîòíèêîì, è èùåéêîé, ÷åé íþõ íàòàñêàí íà òóñêëûé ÷àðóþùèé çàïàõ èíîáûòèÿ; ñëåäîïûòîì áûë â ïîæèçíåííîé ýêñïåäèöèè, â âå÷íûõ ïîèñêàõ ïðîðåõè â íåçäåøíèé ìèð» [Rubina 2011:144] Erst nach dem Tode seines Lehrers verstand Peter, dass er und Kasimir Matwejewitsch verwandtschaftliche Naturen waren. Die beiden konnten wie ein Jäger und ein Spürhund unermüdlich nach neuen, ihnen noch unbekannten Puppen weltweit laufen und sie in ihre Sammlung leidenschaftlich bringen..

Das Verschwimmen der tradierten Schwellen ermöglicht die Rückkehr des Zynismus, so behauptet der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk („Kritik der zynischen Vernunft“, 1983) [Sloterdayk 2001]. Die Rückkehr des Zynismus zeugt deutlich davon, dass die bisherigen Identifikationsformen nicht mehr relevant sind und dass man beim Sich-Selbst-Konstruieren die ethischen Grenzen überschreiten darf.

Im postmodernen Roman wird die Inspiration eines Künstlers durch den unersättlichen und kaltblütigen Forschergeist kompensatorisch und vollständig ersetzt. Der Sammler archiviert und ordnet Leiden und Schmerzen der Anderen auf zynischer Weise auf. Der Sammler ist Schöpfer und Mörder zugleich.

Im Roman „Das Parfum“ mit dem Untertitel „Die Geschichte eines Mörders“ führt die erste Tötungshandlung eines Hundes zum Serienmord unschuldiger Mädchen, bis Grenouille das fehlende Element in seiner Sammlung mit dem Mord von Laura nicht entdeckt.

Der Hörsammler Karnau zeichnet sich durch eine zynische Denk- und Handlungsweise sowie einen zynischen Charakter aus. Liebe und Mitleid sind ihm total fremd. In seiner zynischen Verachtung überschreitet Karnau rasch die Grenze von Wissenschaft und Moral [Künzig 1998: 134]. Anfangs experimentiert er noch mit Pferdeköpfen, dann aber macht er die Menschen zu bloßen Versuchsobjekten. Die aufgenommenen Stimmen und Laute werden für ihn nur Elemente seines Schallarchivs. Er freut sich über „ganz neue Konstellation von Lauten“[ Beyer 1996: 124], als er den letzten Schrei der sterbenden Soldaten aufnimmt und diesen für die Geschichte konserviert. Zunächst als ein harmloser Forscher denkt er über die ethischen Grenzen seiner Sammlung nach. „Hat meine Karte sämtlicher Stimmfärbungen ihre Grenzen? Gibt es Ausnahmen, die ich nicht durchführen würde?“ [Beyer 1996: 62]. Er bezeichnet sich selbst als „Stimmstehler“: „Ich bin zu einem Stimmstehler geworden“ [Beyer 1996: 123]. Als ein kalter Beobachter und ein leidenschaftlicher Geräuschsammler darf er sich das intimste Teilchen eines Anderen, d.h. seine Seele ohne Gewissensbisse nehmen.

Für Peter bei Rubina besitzen die ethischen Grenzen ihre Überzeugungskraft auch nicht mehr. In bestimmten Angelegenheiten und Situationen missachtet er die Interessen der Anderen, vor allem seiner Frau. Peters zynische Handlungsweise erklärt der alte Puppenmeister Kasimir Matwejewitsch folgenderweise: «Îí òàêîé ïåðñîíàæ <...> Ìîðàëü è ÷åñòü - ýòî íå ïðî íåãî. Îí - òðèêñòåð! Ýòî òàêîå âå÷íîå ñóùåñòâî èç ïîäçåìíîãî ìèðà. Îí ïëóò, ðàçðóøèòåëü. Åìó âñå äîçâîëåíî <...> Èì äâèæóò äðóãèå ñèëû, íåëþäñêèå» [Ru- bina 2011: 150] So ist Peter <...>. Er macht sich keine Gedanken darüber, was Gut und was Böse ist. Er ist Trickster! Er hat vieles vom Trickster, der Hauptfigur im Puppentheater. Er ist Schöpfer und Zerstörer zugleich. Peter wird vom Dämonischen aus der Zwischenwelt, wo Grenzen zwischen Gut und Böse verschwommenen sind, selbst verführt und verführt die anderen..

Die Romanautoren greifen gerne zum Groteske als eine der Darstellungsformen im postmodernen Künstlerroman. In monströser Übertreibung reißt das Grotesk Menschen und Dinge aus ihren ursprünglichen Existenzgrenzen, vermengt das Geistliche und das Materiale, verfremdet durch diesen Zusammenprall des Heterogenen die Welt. Der Sammler als ein Träger der „sinnlich-künstlerischen Kultur“ wird auf der somatischen Ebene übertrieben gezeigt. Die groteske Figur kann solche Gegensätze wie Gut und Böse, Grauen und Komik, Lächerlichkeit und Bedrohung, Zierlichkeit und Monstrosität in eine Einheit bringen. Der Sammler überschreitet alle möglichen Grenzen und macht die „unmögliche Erfahrung“, um seine Selbstverwirklichung zu ermöglichen.

Die Sammler bei Süskind und bei Ribuna sind die hervorragenden Beispiele grotesker Figuren, die gleichzeitig Abscheu und Mitleid bei dem Leser erregen können. Die phänomenalen Protagonisten besitzen einen spezifisch markierten Körper, den Träger ihrer angeborenen Begabung datis grata. So ist Süskinds Grenouille körperlich abnorm, bucklig wie der Glöckner von Notre-Dame. Sein Gesicht hat „<...> die Narben der großen schwarzen Karbunkel hinter den Ohren“ [Süskind 1985: 42].

Auffallend hässlich ist auch Peter Uksussow. Von seinem abwesenden Blick wurde es immer unheimlich.

«<...> ñòðàííûé äÿäåíüêà, ïîõîæèé íà èíäåéöà: âïàëûå ù¸êè, îðëèíûé íîñ, âûòÿíóòûé ïîäáîðîäîê, êîñè÷êà íà âîðîòíèêå êóðòêè. Ñàìûìè ñòðàííûìè áûëè ãëàçà: öâåòà ãóñòîãî òóìàíà» [Rubina 2011: 11] <...> ein komischer Mann sah wie ein Indianer aus: er hatte eingefallene Wangen, eine Adlernase, langes kräftiges Kinn, Zopf am Kragen der Jacke. Am seltsamsten bei ihm waren seine Augen in Farben des dichten Nebels..

Im postmodernen Künstlerroman tritt die deutlich ausgeprägte Ambivalenz in den Vordergrund. Die Umwandlungen Objekt-in-Subjekt und Subjekt-in-Objekt zeugen von den fließenden Existenzgrenzen des Sammlers. Das Geistige und Dämonische, Mensch und Tier zusammengeführt, beschreibt der postmoderne Autor eigentlich den Karnevalisierungsprozess. Die Masken der Ambivalenz sind im postmodernen Künstlerroman vorhanden. Oft ist die Figur des Sammlers mit dem tierischen Bereich verknüpft. Süskinds Grenouille ist ein animalischer Mensch, der eine Doppelnatur hat (Zeck, Frosch, Kröte, eine Mischung aus einem Menschen und einem Bären, eine Art Waldwesen u.a.). In der ambivalenten Einheit ist Grenouille auch ein teuflischer Mensch und ein Heiliger zugleich.

Die ambivalente Gestalt bei Beyer ist der Geräuschsammler. Herr Karnau zeigt absolute Liebesfähigkeit zu seinem Objekt und die kühle Berechnung zugleich. Am Tage ist er ein anständiger Toningenieur, sittsam im Umgang mit den anderen, sorgsam für die Kinder, nachts aber „präpariert“ er blutbegierig die Stimmen der Sterbenden und leidenden Menschen (Vergleich: blutsaugende Flughunde). roman sammler kunstlerischen joyce

Peter Uksussow hat vieles vom Trickster, der Hauptfigur im Puppentheater. So verwandelte er sich oft in eine seiner Puppen und man wusste nicht genau, ob er eine Puppe führte oder sie ihn. Peters Meisterwerk ist seine Hauptpuppe Alice, eine vollkommene Gebilde in Frauengestalt. Er konstruierte den feinen Mechanismus, hauchte in die Puppe die Seele seiner Frau ein, so dass Lisa und ihr Doppelgänger Alica absolut identisch waren. Wenn er mit seiner Puppe tanzte, konnte niemand das Original von der Kopie unterscheiden.

Der Sammler als ein künstlerisches Subjekt macht seine „unmögliche Erfahrung“, die er anfangs „ohne erkennbares schöpferisches Prinzip“ archiviert und verarbeitet. Dann aber entdeckt er den ästhetischen Schlüssel zur „Ordnung aller Dinge“, so wird seine Sammlung bald voll. Er triumphiert, dass er seine sichere Existenzform, die ursprüngliche Totalität der als Kontinuum wahrgenommenen Welt und seine Einheit im Sammeln erreichen konnte.

Die vollendete Sammlung erweist sich aber als eine illusorische Einheit, nur das nachgeahmte Sein, das Imperium von Spuren der Realität. Die Schein-Sammlung (bzw. Schein-Identität) ist destruktiv und schließt deshalb Selbstmord und Selbstverstörung ein. Die fatale Verkettung von Ereignissen im postmodernen Künstlerroman führt also zum Scheitern. So endet Grenouilles Geschichte mit einer völligen Desillusionierung. Im Friedhof provoziert er seinen Mord, begeht das olfaktorische „Autodafe“, inszeniert den „Tod eines Künstlers“.

Peters Sammeln ist auch gescheitert. Sein Triumph, das letzte Auftreten des „einsamen Wahnsinnigen“ («òàíåö îäèíîêîãî áåçóìöà») [Rubina 2011: 426] ist für alle überraschend. Traurig und begeistert zugleich tanzt er mit dem Phantom seiner Hauptpuppe Alice, die seine Frau einige Tage zuvor in Wut zerstückelt und vernichtet hat. Mit diesem Tanz verabschiedet er sich für immer von der Puppenwelt. Ab nun fühlt er sich in die menschliche Welt verliebt. Er wird jedes Mal böse, wenn jemand seine neugeborene Tochter (schon ohne Angelmann- Syndrom) eine schöne Puppe nennt.

Die Suche des Geräuschsammlers im Roman „Flughunde“ nach sinnvoller Existenz in der Welt des Hörens und nach einem Weltbild, das komplett klanglich geordnet sein kann, scheiterte auch.

Zusammenfassung

Mit der Figur des Sammlers als eines künstlerischen Subjekts schafft der postmoderne Autor “das Porträt des Künstlers als toten Mann“ [Lützeler 1991: 96]. Das klingt in lautlicher und inhaltlicher Anlehnung an den Titel des Romans von James Joyce “Ein Porträt des Künstlers als junger Mann“ („A Portrait of the Artist as a Young Man”, 1916). Die wahre Kunst wird also in das Sammeln sublimiert. Im postmodernen Künstlerroman entfaltet sich die gesamte innerliche Entwicklung des Protagonisten von junger Kindheit an bis ins Erwachsenenalter im ständigen Sammeln von seinem Ich. Aufgrund seiner Erfahrungen kann er nicht zu einem Individuum werden. Die vollendete Sammlung führt zum Tode des Künstlers. Seine geistig-seelische Entwicklung wird ex negativo dargestellt, in der ewigen Umwandlung Sein-in-Schein und Schein-in-Sein.

Literatur

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